Rätsel um „Wächtersbecher"



Nacht des offenen Museums im Lindenhof in Streitberg

Klaus-Dietrich Keßler (links) zeigt den „WächtersbecherBrachttal-Streltberg (eil). Ein „Sommernachtstraum" würde für Marlies und Klaus-Dietrich Keßler, die Eigentümer des privaten Lindenhof Keramik-Museums, wahr. Sie haben im Januar beschlossen, in einer Museumsnacht die von ihnen gesammelten Schätze Ihren Besuchern einmal bei Kerzenschein zugänglich zu machen. In einer traumhaft schönen Sommernacht und Lindenhof-Atmosphäre wurden die zahlreichen Besucher mit Kunstkeramik, Malerei und Schmiedekunst vertraut gemacht. Auch das Rätsel um einen ungewöhnlichen Wächtersbacher Becher wurde in einem Vortrag gelüftet.

Wer der Einladung der Keßlers gefolgt war, der wurde, schon bevor er den Lindenhof betrat, stimmungsvoll durch Fackellicht und wohltuend beruhigende Klänge des „Ensemble de Bracht" angelockt. Unter Leitung von Lothar Müller spielte das Trio von Joseph Haydn „Variationen aus dem Kaiserquartett" bis „Greensleaves" gefühlvoll alles, was den stimmungsvollen Charakter der Veranstaltung unterstrich.

Das Keramik-Museum zeigte nicht nur eine Sonderschau in Verbindung mit der Frankfurter Ausstellung „Spiel von Haut und Körper". Bereits im Hof stellten Malerinnen und Maler der Region - Heidrun Berressem aus Schlüchtern, Lollo Jansen aus Wächtersbach und Carola Schwarzenhofer aus Hailer - eine Auswahl ihrer Bilder vor. Aus Gelnhausen zeigte Achim Gogler eine Ansicht von Birstein, die er, inspiriert durch ein Gemälde von Ludwig Emil Grimm, in aufwendigen Studien nachempfunden hat. Moderne Kunstkeramik stellte der Frankfurter Bert Walter aus. Der Kunstschmied W.J. Krauss-Schleissner aus Hain-Gründau zeigte einige Beispiele aus seiner Werkstatt.

Einer der Höhepunkte des Abends war die Führung von Pascal Heß. Er präsentierte bei Kerzenschein Keramik-Kunst zum Anfassen. Fachkundig führte der Student der Kunstgeschichte durch die aus der Zeit von Historismus und Jugendstil stammenden Sammlungen des Museums und erklärte anschaulich die Unterscheidungsmerkmale. Am Beispiel der Abbildung der Rose zeigte Heß, wie die Entwicklung von der im Historismus gegenständlichen Darstellung, wo man die Rose beim Anschauen förmlich riechen kann, hin zu der im Jugendstil nur noch stilisierten Form geführt hat. Kompetent in der Materialkunde zeigte sich Heß, als er den Unterschied von Porzellan und Steingut für jeden verständlich erklärte.

In einer Lesung gab Eberhard Traum Proben aus seinem Buch „Detailverliebt". In Zusammenarbeit mit der Waechtersbacher Keramik ging es Traum nicht darum, ein Werkverzeichnis zu erstellen. Vielmehr sollen Details in den Vordergrund gerückt werden, die eine Geschichte zu erzählen haben. So die Inschrift des Tellers der Römerberg-Festspiele, den Klaus-Dietrich Keßler auf einem Flohmarkt in Bad Soden erwarb, und der bei Keßler mit einem Schlag lange verschüttete Kindheitserinnerungen wach werden ließ.

Volker Kirchner schließlich lüftete in seinem Vortrag das Rätsel um einen Wächtersbacher Becher, von dem bisher nur zwei Exemplare bekannt sind. Ein Exemplar befindet sich im Besitz der Familie Keßler. Der aufwendige Entwurf war durch die fehlende Prägemarke nicht eindeutig zuzuordnen. Die Inschrift auf dem Becher und eine dokumentierte Meldung des damaligen Schlierbacher Wachtmeisters Kropf halfen schließlich das Rätsel zu lüften. Die Inschrift: „Schlierbach d. 18. Sept. 1904" deutet auf eine Veranstaltung hin, die anlässlich der silbernen Hochzeit des Wächtersbacher Fürsten in Schlierbach stattgefunden hat. Der „Wächtersbecher" wurde an die Sieger eines anlässlich dieser Feier veranstalteten Wett-Turnens verteilt. Doch die Geschichte ist noch viel verzwickter, und wer mehr Details hören möchte, der kann bei einem Besuch im Lindenhof Keramik-Museum von den Keßlers noch weitere Einzelheiten erfahren.

Quelle: Gelnhäuser Neue Zeitung 13.08.2008

Aktualisiert (Freitag, den 24. September 2010 um 14:17 Uhr)