Sehnsucht nach friedlicher Welt



Vorweihnachtliche Ausstellung im Lindenhof-Keramikmuseum

Triptychon mit Stickereien von Barbara Löwer, davor eine Bunzlauer Keramik. (Foto: Löchl)

Brachttal Streitberg (dl). Nach der christlichen Lehre stehen Advent und Weihnachten Im Zeichen der freudigen Erwartung und des Friedens. In der deutschen Geschichte hat es aber Immer wieder Zelten gegeben, zu denen sich die Menschen ganz besonders nach Frieden gesehnt haben. So zum Beispiel erkennbar auf einem 1918 hergestellten Weihnachtsteller mit dem Bild einer nahezu erstarrten Welt. Das aus der Manufaktur Rosenthal stammende Exponat ist Teil der diesjährigen vorweihnachtlichen Ausstellung des Lindenhof-Keramikmuseums.

Außer der umfangreichen Sammlung von Keramiken und Porzellanen können dort auch am dritten und vierten Advent die ausdrucksstarken und mit Liebe zum Detail hergestellten Stickereien von Barbara Löwer betrachtet werden.

Neben den Prunkstücken mit weihnachtlichen Motiven der herausragenden Keramik- und Porzellanmanufakturen Bing & Gröndahl, Rosenthal und Royal Copenhagen aus der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts beeindrucken heute am meisten die Beispiele, die im Zeitraum der beiden Weltkriege entstanden sind. In den Motiven seit 1914 kann man erkennen, wie sehr die Welt sich verändert und verdüstert hat. 1917 ist die Welt erstarrt, auf einem Weihnachtsteller von Rosenthal ist ein gebrochener Soldat dargestellt, im Hintergrund kann man Schützengraben erkennen. Nie war die Sehnsucht nach Frieden größer.

Auf den Tellern der 30er- und 40er-Jahre ist bei RosenthaI ein deutlicher Bruch zu erkennen: Die Motive werden politischer, Bilder von Städten, die dem Reich einst verloren gegangen sind, werden dargestellt. In der Zeit danach wird zum Beispiel auf einem Teller von 1948 stilistisch mit der Verkündigungsszene auf die Renaissance zurückgegriffen, wobei die abgebildeten langgezogenen Gesichter einen deutlichen Stilbruch darstellen. Diese deuten wohl eher auf die wirtschaftliche Situation der Menschen zu Zeiten der Währungsreform hin. Der Engel, als Lichtgestalt im Mittelpunkt der Szene platziert, soll neue Hoffnung bringen.

Auch das Schöne ist bei der Ausstellung nicht zu kurz gekommen. Stimmungsvolle Landschafts- und Städtebilder der Manufaktur Royal Copenhagen, oder Kleinkinder- und Tierdarstellungen, bevorzugt bei Bing & Gröndahl zu finden, bieten einen erfreulichen Ausgleich zu den nachdenklich stimmenden Bildern der Kriegsjahre und einen Ruhepol für Auge und Seele. Auch Seltenes findet der aufmerksame Besucher unter den zahlreichen Exponaten. Marlies Keßler gerät ins Schwärmen, wenn sie den ältesten Teller von Bing & Gröndahl vorstellt. Mit der Jahreszahl 1910 Ist das gute Stück gekennzeichnet und stellt auf schlichte, aber anrührende Weise einen Organisten mit seinem Instrument dar. Auch Wintermotive mit Kindern und Tieren in tief verschneiter Landschaft sind da zu sehen. Auf dem Teller von 1916 sind zwei schwarze Vögel vor einem schneebedeckten Renaissancegiebel zu erkennen. Nicht zuletzt haben auch unscheinbare Stücke eine Geschichte zu erzählen, erklärt Klaus-Dietrich Keßler die umfangreiche Sammlung.

Einen weiteren ganz besonderen Höhepunkt haben die Keßlers in diesem Jahr mit den Stickereien von Barbara Löwer aus Wächtersbach zu bieten. Schon im Eingangsbereich findet der Besucher ein Triptychon, das aus drei detailgetreuen und ausdrucksstarken Stickereien besteht. Dargestellt werden unter Verwendung eines Garns in natürlichen Farben und feinen Goldfäden die Krippenszene, die Heiligen Drei Könige und die Anbetung der Hirten. Das Ereignis spiegelt sich in der Darstellung auf dem Bunzlauer Keramiktellerchen wieder, das vor dem Triptychon aufgestellt ist.

Die sozial engagierte Barbara Löwer hat schon von Kindesbeinen an das Sticken gelernt und seitdem immer gepflegt. Ihre Kreuzstich-Technik bezeichnet sie auch als Nadelmalerei; kann sie doch damit am besten ihre natürlichen Motive im Übertragenen Sinne malerisch umsetzen. Löwer verwendet für Ihre Arbeiten ausschließlich ein aus einem Faden bestehendes Garn aus Baumwolle oder Seide, das sie aus Dänemark bezieht. Ihre Entwürfe entnimmt sie internationalen „Fachzeitschriften, die sie akribisch genau auf hochwertiges Schlitzer Leinen überträgt. Das in diesem Jahr fertig gestellte und im Lindenhof-Museum ausgestellte Bild mit einer Darstellung der Heiligen Nacht hat sie für die Ausstellung nur bis zum Heiligabend zur Verfügung gestellt. Zum Weihnachtsfest soll das Bild mit den lebendigen und strahlenden Gesichtern wieder die eigenen Räume erhellen und Frieden vermitteln.

Quelle: Gelnhäuser Neue Zeitung 12.12.2009

Aktualisiert (Freitag, den 24. September 2010 um 14:06 Uhr)